Alles gut

In einem, aus dem Spanischen übersetzten historischen Roman des 18.Jahrhunderts, den ich momentan lese, entgegnet einer der Protagonisten in einer ungemütlichen Situation: „Alles gut!“.

Übersetzungsfehler?

Diese beiden Worte im beschriebenen Kontext haben mich völlig irritiert. Ich brauchte einige Sekunden um diesen – für mich – gedanklichen Bruch einordnen zu können. Leider bin ich des Spanischen nicht mächtig, so dass ich anhand des Originals nicht nachprüfen kann inwiefern hier wortgetreu oder sinngemäß übersetzt wurde. Ich vermute, nein, eigentlich bin ich mir ziemlich sicher: Letzteres.

Everything’s fine!

Fällt Ihnen das auch auf, wie häufig uns die „Alles gut!“ Phrase am Tag begegnet?
Wann genau hat das eigentlich angefangen? Weiß das jemand? Ist diese Phrase das deutsche Synonym zum angloamerikanischen „(Everything’s) Fine!“ auf die „How are you?“-Frage, die keine ehrliche Antwort erwartet?

Unter ‚www.wortbedeutung.info‚[1] lese ich: „Alles gut (Deutsch) – Redewendung

Bedeutung: 1) als Aussage eine Reaktion auf eine Situation, die nicht weiter der Rede wert ist, weil sie nebensächlich ist, oder auf die man nicht genauer antworten will, weil die Antwort den Fragenden lediglich beruhigen/ablenken soll: ja, aber/und das ist in Ordnung

2) als Frage eine Erkundigung nach dem Befinden: Wie geht es Dir/Ihnen?“

Die anschließenden Beispielsätze lauten:
“1) „Ich habe leider nur zwanzig Euro.“ – „Alles gut.“

2) „Aber er hat mich doch betrogen!“ – „Ja, Mausi, ja, aber, alles gut, das wird schon…“

Wie bitte? Ich bin schon wieder irritiert.
Aber lassen wir das Ganze mal für den Moment so stehen.

Beschwerdemanagement

Das erinnert mich an einen meiner letzten Restaurantbesuche, als ich einen Blattsalat, der seine besten Tage schon längere Zeit hinter sich hatte, bei einer Bedienung reklamierte. Der heraneilende Restaurantleiter, begutachtete denselben und entgegnete beschwichtigend: „Alles gut.“. Wie jetzt?  Es war nicht „Alles schlecht“, es war „Vieles gut“, aber der Salat war eben ungenießbar, und sollte bitte ausgetauscht werden. Das sollte nicht, kann aber mal passieren. Punkt.

Zum selben Zeitpunkt bat jemand am Nebentisch seinen Mitesser um den Salzstreuer, welcher nicht sofort reagierte und sich dafür höflich entschuldigte. Auch dort war daraufhin zu hören: „Alles gut“.

Passt scho(n)!

Ein wenig erinnert mich die „Alles gut“ Phrase an das allgäuerische „Passt scho(n)“. Wird auch gerne und ständig verwendet, vor allem, wenn man keine Lust auf Konversation hat oder die Antwort unbequem werden könnten.

Ist das bei „Alles gut“ vielleicht auch so? Wollen wir es uns mit dem Gegenüber nicht verscherzen? Oder haben wir vielleicht einfach keine Energie, Bereitschaft oder was auch immer auf ehrliche Kommunikation, sprich: Begegnung?

Vielleicht, im besten Fall, ist es einfach nur ein Hype, der wieder vergeht. Das wäre schön, denn: Alles wirkliche Leben ist Begegnung (Martin Buber) – und das wird immer so bleiben! (SR)

[1] https://www.wortbedeutung.info/alles_gut/ (22.10.2023)

Foto: https://unsplash.com/de/@markadriane