Susanne C. Russek

Die schwierigsten Zeiten unseres Lebens stellen sich als die besten heraus, denn sie lehren uns, innere Stärke zu entwickeln. Leider können wir das oft erst im Nachhinein erkennen.
–– Christine Riederer

Wie alles begann…

Bereits in meiner Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenschwester in den 1980er Jahren trieb mich die Frage um, weshalb sich das Gesundheitssystem ausschließlich auf die Behandlung von Krankheiten ausrichtete. Gesundheit wurde selten gefördert und gestärkt, um einem Krankwerden vorzubeugen. Den Patienten erlebte ich schon damals als zu behandelndes Objekt, das sein selbstständiges Denken mit stationärer Aufnahme beurlaubte. Im Vertrauen, dass die Fachleute schon wussten, was zu tun wäre, um wieder gesund zu werden, lies man sich „be-handeln“. Prinzipiell fand Therapie, für mein Empfinden, zu stark auf der Symptomebene statt, als dass die Ursache der Erkrankung kompromisslos angegangen wurde. Damals stieß ich mit meinen kritischen Gedanken auf wenig Resonanz oder gar Unverständnis.
Die zusätzlich herrschenden hierarchischen Klinikstrukturen, brachten mich dazu, direkt nach Ausbildungsende in den damals jungen Bereich der Sozialmedizin zu wechseln. Mein Schwerpunkt wechselte und lag fortan in der psychosozialen Begleitung von Kindern, die Missbrauch und Misshandlung erlebt hatten und deren Eltern.

Doch auch hier wurde primär kuriert.

Eltern und andere Autoritätspersonen waren als präventive und stärkende Elemente noch wenig im Fokus. Erneut stieß ich an meine Grenzen der Akzeptanz des Ganzen. Die Suche nach einem Ansatz im Menschen, der seine Stärken entdeckt, entwickelt und aktiv lebt, statt sich als Opfer der Umstände zu begreifen, trieb mich weiter.

Ohne es damals konkret in Worte fassen zu können, ahnte ich, dass das Wohl eines Geführten – sei es der Patient in der Klinik oder das Kind im familiären Umfeld – wesentlich von den Fähigkeiten und der Einstellung des Führungsverantwortlichen abhängt.

Erste Antworten erhielt ich in meinem weiteren Ausbildungsverlauf: im Studium der Psychologie und Theologie.

Die in den 1990er Jahren „revolutionären“ Gedanken zur Salutogenese (Aaron Antonovsky), der Positiven Psychologie (Martin Seligmann) und Resilienz (Emmy Werner) waren für mich wie kostbare Samen, die ich gierig aufnahm. In einem wissenschaftlichen Umfeld, dass den kritischen Diskurs forderte und förderte wurden für mich die Weichen für mein heutiges Sein wesentlich gestellt.
Persönliche und berufliche Krisen, die es in den Folgejahren zu bewältigen galt, zeigten mir immer wieder, wie Krisen uns dazu auffordern und Chancen bieten, uns persönlich weiterzuentwickeln.

Der Aufgabe des Führens – für sich selbst und anderen –  gilt nunmehr seit zwei Jahrzehnten mein besonderes Anliegen. Führungskräfte sind im besonderen Maße verantwortlich, da sie für Menschen und Projekte Verantwortung tragen und sich ihr Verhalten und ihre Entscheidungen als Multiplikatoren potenziert. Salutogene Führung schafft für den Geführten einen Raum der Entwicklung, vielleicht sogar, wenn nötig der Heilung. Führungskompetenz ist nur teilweise „angelegt“, sie muss bewusst erlernt werden – das wird häufig ignoriert.
Neben dem Erwerb von Wissen und Methoden ist einer der wesentlichen Faktoren des Lernens: Die Reflexion.

Die Reflexion des eigenen Verhaltens, basierend auf Einstellungen, Werten, Erlebtem sowie der persönlichen Biografie.

Die höchste Form der Führung zeigt sich für mich im ‚Dienenden Führen‘ (Vgl. Cultural Transformation Tool, Richard Barrett, www.valuescentre.com/barrett-model-evolution/) – dafür setze ich mich mit meinem Tun und Sein in allen Facetten ein.